Vor 30 Jahren startete die unglaubliche Karriere von Modern Talking. Im persönlichen Gespräch erzählt Thomas Anders, wie sich seine Welt von heute auf morgen komplett änderte – und welche Rolle Dieter Bohlen eigentlich gar nicht spielen wollte.
Interview: Chris Hauke
1985 gingen Modern Talking durch die Decke. Obwohl du damals eigentlich deutsch gesungen hast und dabei von Dieter Bohlen produziert wurdest.
Thomas: Modern Talking ist aus einer Songidee entsprungen! Es war nicht zuerst Modern Talking da und dann wurde ein Song gemacht, sondern es gab zuerst den Song und danach kam erst Modern Talking.
Wie kam es dazu? Eure erste Zusammenarbeit soll nicht übermäßig erfolgreich gewesen sein.
Die Zeiten ändern sich. Damals habe ich mit einer deutschsprachigen Single 25.000 Einheiten verkauft – heute wäre das Platz 1. Ich war seinerzeit jedes halbe Jahr im Studio in Hamburg und habe eine neue Single aufgenommen. So war es auch im Oktober 1984. Weil ich mit dem Singen so schnell fertig war, kam Dieter zu mir und sagte: „Dein Flug geht erst in zwei Stunden. Ich habe einen Song geschrieben, hast du Lust, den noch schnell einzusingen?“ Das war „You’re My Heart, You’re My Soul“.
Wie waren die ersten Reaktionen auf dieses Experiment?
Die Plattenfirma sagte: „Hey, das klingt nicht schlecht. Macht das mal fertig.“ Damals wollte das Label jedoch nicht, dass der Song unter meinem Namen veröffentlicht wird, denn ich stand ja für deutsche Texte. Daher hieß es: Wir lassen uns einen Fantasienamen einfallen und nehmen irgendeine Person dazu. Da war an Dieter noch gar nicht zu denken.
War es ein Unterschied, englisch zu singen?
Nein, das wollte ich ja immer. Zu Hause habe ich immer englisch gesungen. Ich konnte das komplette Repertoire von Barry Manilow rauf und runter singen. Irgendwann bin ich dann zu Dieter gegangen und habe ihm gesagt, dass ich gerne auch mal englisch singen würde. Und dann sagte er: „Naja, aber eigentlich wollen wir dich als deutschsprachigen Künstler aufbauen.“
War Barry Manilow dein Haupteinfluss als Sänger?
Mit Sicherheit. Ich stand schon als 6-Jähriger auf der Bühne und habe da natürlich deutsch gesungen. 1974/75 waren Freunde von meinen Eltern in Amerika und kamen mit einem Album von Barry Manilow zurück. Die Form der Musik und die Arrangements – das war etwas anderes als das, was in Deutschland produziert wurde. Andere Akkorde, andere Harmonien, andere Abläufe. Es war plötzlich so groß. Es war faszinierend für mich, dass man mit diesen Arrangements unheimlich starke Gefühle ausdrücken konnte.
Eure Plattenfirma fand „You’re My Heart, You’re My Soul“ zwar gut, hat aber anfangs nicht viel Geld in Modern Talking investiert.
Überhaupt nicht. Das war eigentlich eher ein Projekt. Es hieß: „Wir gucken mal, was draus wird. Wenn das läuft, stellen wir einen Typen neben Thomas, denn der ist ja nun mal die Stimme.“
Dieter Bohlen war für diese Rolle gar nicht vorgesehen?
Heute kann sich das kein Mensch mehr vorstellen, aber Dieter sagte damals immer, er will nicht in die Öffentlichkeit und unterwegs sein. Er will nur Songs schreiben und produzieren.

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Das kann sich heute allerdings keiner mehr vorstellen.
Vom Saulus zum Paulus.
Auch „You’re My Heart, You’re My Soul“ brauchte etwas Zeit, um seinen Weg zu machen.
Die Single wurde im Oktober veröffentlicht – und lief nicht. Mitte Dezember 1984 hatten wir 6.000 Einheiten davon verkauft. Das war für die damalige Zeit gar nichts und eigentlich schon als Flop abgehakt. Nach der Winterpause, Anfang Januar 1985, hieß es dann plötzlich: Ihr steht bei über 60.000 verkauften Singles.
Und auf einmal war alles anders.
Richtig. Wir sind von Null auf 38 in die Charts gegangen. Das bedeutete logischerweise auch, dass wir bei Formel Eins auftreten. Da war nichts mehr mit langsam aufbauen und gucken, wo es hingeht. Es musste schnell gehen, und so hieß es: „Pass auf, Dieter, wir haben keine Zeit mehr. Du stellst dich jetzt neben Thomas.“
Von Platz 38 ging es schnell weiter nach oben. Wie bist du mit dieser sehr plötzlichen Popularität umgegangen?
Wir waren sechs Wochen auf Platz eins in Deutschland, und dann schlugen wir plötzlich auch im Ausland so extrem ein. Am Anfang ist man natürlich beseelt und auf Wolke sieben. Diese Zeit war so surreal. Ich habe ab einem gewissen Zeitpunkt im Grunde nur noch funktioniert. Es waren fast drei Jahre mit Höhen und Tiefen, voller Dramatik und Erfolge. Das alles verkraften zu müssen, war nicht einfach – aber ich habe es ja überlebt.
Da macht man fast sein ganzes Leben lang Musik, und plötzlich ist man auf dem Bravo-Titel.
Ja, man arbeitet eigentlich immer dahin, dass man in irgendeiner Form erfolgreich wird, dass man in die Charts geht – und wenn es dann so kommt, ist man trotzdem nicht darauf vorbereitet. Ich vergleiche das manchmal mit einem Lottospieler, der sein Leben lang immer dieselben Zahlen tippt und davon träumt, irgendwann mal 100.000 zu gewinnen, oder sogar eine Million. Bei Modern Talking muss man sich das in der Dimension vorstellen, dass der Lottogewinner nicht eine, sondern plötzlich 50 Millionen gewinnt und den Jackpot knackt. Wenn man diese Person fragt, wie sich das anfühlt, wird sie sagen: „Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, was passiert ist. Es ist einfach da. Ich muss gucken und damit zurechtkommen.“
Ihr habt 1985 die Gunst der Stunde genutzt und nicht nur ein Album, sondern gleich zwei herausgebracht.
Als die Maschinerie lief, wurde natürlich richtig gearbeitet. 1985 waren es vier Singles, vier Videos und zwei Alben.
Die allesamt auch international erfolgreich waren!
Wir sind unseren Hits quasi hinterhergereist. Irgendwo hatten wir immer eine Nummer eins. Das war schon eine total bekloppte Zeit. Wenn man das nicht selbst mitgemacht hat, kann man das gar nicht so erzählen. Es ist einfach Wahnsinn.
Hast du dein großes Idol mal getroffen?
Ich habe Barry Manilow kennengelernt, damals in den Achtzigern. Wir redeten ein bisschen, und dann fragte er: Wie viele Platten habt ihr verkauft? Ich sagte damals: „About sixty million.“ Er fragte: „Sixteen?“ Und ich sagte: „No. Six O.“ Er schaute mich an und sagte nur: „Oh my god.“
WEITERLESEN Modern Talking: Jubiläumsbox mit „1st & 2nd Album“
Große Jubiläumsbox
Unter dem Motto „The Original Album Versions 1985“ bietet diese 3CD-Box die ersten beiden Alben von Modern Talking in Originalfassung und dazu starke Bonustracks: „You’re My Heart, You’re My Soul“, „You Can Win If You Want“, „Lucky Guy“, „Cheri Cheri Lady“, „With A Little Love“…
- Erhältlich bei:
CD 1
1. You’re My Heart, You’re My Soul
2. You Can Win If You Want
3. There’s Too Much Blue In Missing You
4. Diamonds Never Made A Lady
5. The Night Is Yours – The Night Is Mine
6. Do You Wanna
7. Lucky Guy
8. One In A Million
9. Bells Of Paris
CD 2
1. Cheri Cheri Lady
2. With A Little Love
3. Wild Wild Water
4. You’re The Lady Of My Heart
5. Just Like An Angel
6. Heaven Will Know
7. Love Don`T Live Here Anymore
8. Why Did You Do It Just Tonight
9. Don’t Give Up
10. Let’ S Talk About Love
CD 3
1. You’re My Heart, You’re My Soul – Extended Version
2. You’re My Heart, You’re My Soul – Instrumental
3. You’re My Heart, You’re My Soul – So80’s Edit
4. You Can Win If You Want – Special Dance Version
5. You Can Win If You Want – Instrumental
6. Lucky Guy – Instrumental
7. Lucky Guy – Special-Dj-Mix – Simmons, Ryan
8. Cheri, Cheri Lady – Special Dance Version
9. Cheri, Cheri Lady – Instrumental
10. With A Little Love – Uk 12′ Version
- Erhältlich bei: