Exklusiv-Interview mit Peter Illmann: Hinter den Kulissen von Formel Eins, Teil 2

Peter_BeitragWie weit warst du involviert in die Auswahl der Acts, die in die Show gekommen sind?
Wer in den Charts platziert war, kam automatisch in die Sendung, egal ob Tommy Steiner, Nino de Angelo oder sonst wer. Daneben hatten wir die Tipps. Die haben wir in der Redaktion ausgewählt, da durfte jeder im Team seine Meinung einbringen. Man hat immer deutlich gemerkt, wer dran war. Ich hatte einen kommerzielleren Geschmack als mein Regisseur, der eher Avantgarde-Sachen wie die Einstürzenden Neubauten reingebracht hat. Für die Sendung war das sehr wichtig.

Du hingegen standst auf Synthie Pop?
Es ging auf jeden Fall mehr in Richtung England. Ich mochte eher Bands wie Depeche Mode. Der ganz große Rocker war ich nicht.

Wie lange hat die Produktion einer Formel-Eins-Folge gedauert?
Relativ lange. Damals gab es noch genug Zeit und Geld. Wir konnten die Kapazitäten der Bavaria Film voll ausreizen – da kamen richtige Filmkulissen zum Tragen, manchmal fühlte man sich wie auf einem Hochhaus in New York. Das war schon sehr aufwendig und hat entsprechend lange gedauert. Vor allem bei den Bands. Die Moderationen haben nur dann lange gedauert, wenn komplizierte Einstellungen auf dem Plan standen. Es waren ja alle Künstler… Die Leute, die dort gearbeitet haben, kamen größtenteils vom Film und wollten auch filmische Elemente hereinbringen.

Hast du ein Bespiel für diese detailverliebte Arbeit?
Ich musste mal unter einer Straßenlaterne stehen, die ganz besonders beleuchtet war – weswegen ich mich auch kaum bewegen durfte. Es sollte halt aussehen wie in einer alten Straße in der Bronx. Einige haben gesagt, ich hätte immer etwas starr da gestanden, aber das lag zum Teil daran, dass ich das nicht anders durfte.

Für deutsche Künstler war es bestimmt toll, sich so professionell präsentieren zu können.
Die meisten hätten natürlich gerne Videos gehabt. Jede erfolgreiche Band hatte damals ein sehr gutes Video, nur viele deutsche nicht, weil das Geld einfach nicht da war. Daher mussten sie dann in Studio kommen. Ich glaube schon, dass es für sie ganz interessant war, mal in solchen Kulissen zu stehen. Zum Teil haben die nicht unbedingt Freude gemacht…

Polaroid_IllmannWie meinst du das?
Wir hatten mal Nicole mit dem Titel „Wenn die Blumen weinen könnten“ in der Sendung. Da ging es um Umweltschutz, aber in sehr naiver Weise. In unserer Dekoration haben wir dabei Bäume zersägt. Das war schon ein bisschen bösartig. Aber ich glaube, das haben die Leute auch gemocht. Dem Lied hat es jedenfalls nicht geschadet. Wer das mochte, der hat es nach wie vor gemocht. Das gleiche gilt für meine Ausführungen über Schlager. Die meisten waren damals halt einfach kitschig – mit roten Sonnen, die über Barbados untergingen und was weiß ich was. Daher habe ich auch entsprechende Kommentare dazu abgegeben. Aber kein Mensch hat die Platte deswegen nicht gekauft. Wer das mochte, der kaufte sie. Die Plattenindustrie hat sich ein bisschen mokiert, dass ich Schlager angeblich immer schlecht machen würde – ohne daran zu denken, dass es erstens stattfand, zweitens gespielt wurde und sich drittens kein Mensch danach gerichtet hat, was ich sage.

Hat es da bei konkreten Fällen mal richtig Ärger gegeben?
Nicht wirklich. Dazu war die Sendung einfach zu wichtig für die Plattenfirmen. Daher waren alle froh, wenn sie stattfanden. Und es war auch egal, was ich dazu gesagt habe. Wer stattfand, hat auch Erfolg gehabt. Selbst unsere Tipps, wenn sie nicht ganz extrem waren, sind oft in die Charts gegangen. Die Sendung hatte eine wahnsinnige Kraft und Auswirkung. Wer die Sendung boykottiert hätte, der hätte sich ins eigene Fleisch geschnitten.

Gibt es Dinge, über die du heute schmunzelst?
Zum Beispiel „Disco Band“ von Scotch. In dem Song wurde fast nur gehustet – ein absolut hirnrissiger Titel, der in den deutschen Charts aber relativ erfolgreich war. Das Video spielt in einem Krankensaal. Da war die Band aber gar nicht da – die gab es gar nicht. Das war allein von uns inszeniert. Oder „Geil“ von Bruce & Bongo. Das ist schon sehr hirnrissig. Damals war das Wort ja noch etwas provokativ, aber der Titel ist einfach nur stupide und blöd.

Viele haben das früher auch über Modern Talking gesagt.
Modern Talking ist ein gutes Beispiel. Viele haben das gemocht, sonst hätten sie nicht so viele Platten verkauft, aber es gab mindestens gefühlt drei Mal so viele, die es hassten. Inzwischen ist Modern Talking ja ein bisschen kultig geworden. Wenn das heute bei irgendwelchen Partys läuft, in etwas modernerer Mixform, dann sind die Leute ja durchaus begeistert – selbst die, die das damals nicht mochten. Ich glaube, die Zeit heilt viele Wunden. So auch in der Musik.

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