Depeche Mode: vom Holzfällerhemd zur Stilikone

2477-39741I30511Obwohl sie ihren Namen von einem französischen Modemagazin übernommen hatten, brauchte es Jahre, bis Depeche Mode ihren eigenen optischen Stil entwickelten. Wir zeigen anhand ihrer wichtigsten Videos, wie sich Dave Gahan & Co. von der grauen Maus zum düsteren Schmetterling des Pop verpuppt haben.

Text: Chris Hauke

Wer kann sich heute noch vorstellen, dass Depeche Mode in ihren Anfangstagen gleichermaßen Anzüge im 40er-Jahre-Stil wie damals als anrüchig geltende Leder-Outfits trugen, die später von langweiligen Pullis und karierten Hemden abgelöst wurden? Dieser Mangel an Stringenz und optischer Aussage sorgt auch dafür, dass die Videos aus ihrer Frühphase heute eher befremdlich wirken.

Just Can’t Get Enough
https://www.youtube.com/watch?v=bohcvwiljjI

Der Clip zu „Everything Counts“ setzt 1983 ein erstes Ausrufezeichen: Er untermalt den konsumkritischen Text des Songs mit entsprechenden Bildern und bringt die Band damit optisch so langsam auf Kurs. Die Videos von „People Are People“ und vor allem „Stripped“ schaffen es in den Folgejahren dann immer besser, die Musik zu visualisieren und erschaffen damit stilistische Markenzeichen – speziell die metallischen Sounds der Songs, für die Depeche Mode auf verschiedene Alltagsgegenstände geschlagen haben, finden hier ihren Wiederklang und schärfen den Wiedererkennungswert der Band.

Everything Counts

Der entscheidende Schritt folgt 1986 mit dem Clip zu „A Question Of Time“. Nach mehreren vergeblichen Anfragen gewinnen Depeche Mode schließlich den holländischen Fotografen und Videoregisseur Anton Corbijn für sich, der fortan mit seiner Bildsprache das Image der Band prägen wird – und ihr nebenbei auch bei der teils noch immer kritischen Presse jede Menge Sympathiepunkte verschafft. Sein ikonisches, von Roadmovies inspiriertes Schwarzweißvideo wird in den USA gedreht und läutet einen neuen Abschnitt in der Bandhistorie ein.

A Question Of Time

Corbijn ist Depeche Mode bereits im Sommer 1981 begegnet, als er sie für den Titel des britischen NME-Magazins fotografierte – und zwar auf seine spezielle künstlerische Art: Er ließ Dave Gahan in den Vordergrund treten, stellte jedoch zum späteren Schock des Sängers die im Hintergrund stehende Band scharf – von Gahan sind auf dem Cover nur Schemen zu sehen. Corbijn mag Depeche Mode anfangs gar nicht: „Ich hielt sie für Teeniepopper. Ich hingegen habe ernsthafte Musik gehört.“ Damit meint er Bands wie Joy Division, die er Ende der 70er-Jahre fotografierte und die 2008 Thema seines ersten Spielfilms „Control“ werden sollen.

In Zusammenarbeit mit Corbijn entstehen in den Folgejahren zahlreiche populäre Videos, für die sich der Holländer meist etwas Besonderes einfallen lässt: Für „Enjoy The Silence“ muss Dave Gahan 1990 als König verkleidet mit einem Klappstuhl in der Hand auf der Suche nach Ruhe durch die Lande ziehen – bei den Dreharbeiten friert sich King Dave mehrfach den Allerwertesten ab. Doch die Qual lohnt sich, denn die Bilder zu einem der größten Songs ihrer Geschichte gehen einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf.

Enjoy The Silence

Mit den Clips zu den Alben „Violator“ und dem 1993 folgenden „Songs Of Faith And Devotion“ steigt die Band auch optisch in die erste Liga auf und ist damit bestens für die große Zeit des Musikfernsehens in Europa aufgestellt. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre führt kein Weg an der Kombination Depeche Mode & Anton Corbijn vorbei. Daran hat sich bis heute wenig geändert.

Personal Jesus

Neben den Videos und Plattencovern gestaltet Corbijn seit der Tour zu „Songs Of Faith And Devotion“ auch die Bühnenbilder von Depeche Mode und filmt die Live-Dokumentationen „Devotional“ (1993), „One Night In Paris“ (2002) und zuletzt „Live In Berlin“ (2014).

DepecheMode_DVDBoxCoverLive In Berlin 2014
Der aktuelle Konzertmitschnitt „Live In Berlin“ ist die neueste Kooperation zwischen Depeche Mode und Anton Corbijn. Für die Deluxe-Variante mit Doppel-Audio-CD, Doppel-DVD und Blue-ray hat der langjährige Designer der Band die Auftritte, Fans und Musiker aus der „Behind The Scene“-Perspektive hautnah gefilmt.

WEITERLESEN: Depeche Mode ganz nah – 10 Album-Klassiker mit beeindruckenden Bonus-DVDs
WEITERLESEN: Depeche Mode – Liebeserklärung an die Fans mit „Live In Berlin“